DJB mit weltmeisterlichem Rückenwind in die japanische Metropole

Judo`s Coming Home!“. So in etwa könnte wohl der Titel für die olympischen Judo-Wettkämpfe vom 24.Juli bis 31.Juli 2021 im Nippon Budokan in der japanischen Hauptstadt lauten. Dort, wo vor 57 Jahren 72 Judoka – wirklich nur die Herren der Schöpfung – aus 27 Ländern um vier Goldmedaillen wetteiferten – im Leichtgewicht, im Mittelgewicht, im Schwergewicht und in der offenen Klasse ohne Gewichtslimit.

Olympische Premiere und niederländischer Goldjubel zum Abschluss

Der erste Judo-Olympiasieger der Sportgeschichte war dabei Japans Leichtgewicht Takehide Nakatani, der den Eidgenossen Eric Hänni im Finale am 20.Oktober 1964 bezwingen konnte. Auch die beiden folgenden Goldmedaillen gingen nach Nippon: im Halbmittelgewicht an Isao Okano (vor dem Kölner Wolfgang Hofmann) und im Halbschwergewicht an Isao Inokuma. Japans olympische Judo-Welt war bis dahin völlig in Ordnung, bis am 23.Oktober 1964 ein Niederländer die Japaner aus allen Träumen riss. Anton Geesink, der bereits 1961 bei den WM 1961 in Paris Weltmeister in der offenen Klasse wurde (gegen Koji Sonne – für viele Japaner „ein einmaliger Ausrutscher!) konnte überraschend gegen seinen japanischen Kontrahenten Akio Kaminaga gewinnen – und stürzte ganz Japan in tiefe Trauer. Klaus Glahn vom VfL Wolfsburg belegte in der 1964 so spannenden offenen Gewichtsklasse übrigens einen ausgezeichneten dritten Rang.

Trotz Kaminagas Finalniederlage – Japan war natürlich die Top-Nation 1964 in Tokyo, mit dreimal Gold, einmal Silber. Die Sowjetunion schaffte indes ebenfalls vier Medaillen, aber diese waren sämtlich „nur“ aus Bronze.

1992 – Endlich Frauen auf der Tatami

Weibliche Judoka mussten bis 1992 in Barcelona warten, um endlich auch auf der Tatami olympisches Edelmetall zu schürfen, nachdem sie ihr Können bereits 1988 in Seoul zumindest olympisch „demonstrieren“ durften. Das erste olympische Frauen-Gold im Judo konnte sich die Chinesin Zhuang Xiaoyan in der Gewichtsklasse über 72 Kilogramm am 27.Juli 1992 sichern.

Olympische Goldmomente aus deutscher Sicht

Olympische Goldmomente im Judo hatten aber auch die Deutschen, so Dietmar Lorenz vom SC Dynamo Hoppegarten 1980 in Moskau (offene Gewichtsklasse), Frank Wieneke vom VfL Wolfsburg 1984 in Los Angeles (Halbmittelgewicht), der Leipziger Udo Quellmalz 2000 in Sydney (Halbleichtgewicht), Yvonne Bönisch aus Ludwigsfelde 2004 in Athen (Leichtgewicht) und Ole Bischof aus Reutlingen 2008 in Peking (Halbmittelgewicht).

Judoka aus M-V mit Edelmetall

Auch „M-V“ mischte judo-olympisch „mit“. Der spätere Wahl-Schweriner Harald Heinke wurde 1980 in Moskau Dritter im Halbmittelgewicht. Acht Jahre später in Seoul schaffte der gebürtige Schweriner Torsten Brechot im Halbmittelgewicht Bronze. Und nicht zu vergessen: Die Schweriner Zwillingsschwestern Ramona und Carmen Brussig konnten bei den Paralympics seit 2004/2008 stets überzeugen. Beide gewannen zuletzt, 2016 in Rio de Janeiro, in ihren Gewichtsklassen jeweils Silber. Ramona holte dabei bereits Gold 2004 und 2012, dazu Silber 2008. Carmen triumphierte 2012 und holte Bronze 2008.

Beide wollen auch in Tokyo bei den Paralympics wieder nach Edelmetall greifen.

Tokyo 2021 – Judosportlicher Blick auf den olympischen Zyklus 2016-2021

Aber erst einmal stehen die fünfzehn olympischen Judo-Entscheidungen der Frauen und Männer im Nippon Budokan in Tokyo zwischen dem 24.Juli und 31.Juli auf der Agenda. Fast 400 Judoka aus circa mehr als 130 Nationen werden dann um die Medaillen wetteifern.

Welttitelkämpfe seit 2017 – Im Zeichen Nippons

Bei den vier Weltmeisterschaften im olympischen Zyklus 2016-2021 in Budapest (2017), Baku (2018), Tokyo (2019) und 2021 (Budapest) waren stets die Japanerinnen und Japaner am besten. 2017 holten sie dreizehn Medaillen (achtmal Gold), 2018 siebzehn Medaillen (achtmal Gold), 2019 sechzehn Medaillen (fünfmal Gold) und 2021 zwölf Medaillen (sechsmal Gold). Trotz aller Überlegenheit bei den genannten Weltmeisterschaften – gerade bei den WM 2021 in Budapest wurde deutlich, dass in einigen Gewichtsklassen, unter anderem Halbfliegengewicht, Halbmittelgewicht, Mittelgewicht oder Halbschwergewicht der Herren oder Halbmittelgewicht der Frauen, die japanischen Starterinnen und Starter nicht in die Entscheidungen um die vorderen Ränge eingreifen konnten.

Alexander und Anna-Maria: Zweifacher WM-Jubel aus deutscher Sicht

Für den Deutschen Judo-Bund waren die WM-Ausbeuten der letzten Jahre eher bescheiden, wenngleich es selbstverständlich auch Grund zum Jubeln aus deutscher Sicht gab. Bei den WM 2017 schaffte Alexander Wieczerzak vom JC Wiesbaden überraschend WM-Gold in der Gewichtsklasse bis 81 Kilogramm und wurde ein Jahr später WM-Dritter. Den Bronzeplatz in der Gewichtsklasse bis 63 Kilogramm der Frauen belegte hingegen Martyna Trajdos vom Eimsbütteler TV 2019. Und bei den WM 2021, knapp sechs Wochen vor Olympia, schaffte Anna-Maria Wagner vom KJC Ravensburg, mit ihrem Gold-Triumph in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm eine echte Sensation. Freudige Momente erlebte kurz vor Tokyo 2021 zudem Theresa Stoll vom TSV Großhadern mit Bronze in der Gewichtsklasse bis 57 Kilogramm.

Japan – das sportliche Maß aller Dinge / Aber: Auch Deutschland ein erfolgreiches Judo-Land

Bei den WM seit 1956 (seit 1980 für Frauen) ist „natürlich“ Japan das sportliche Maß aller Dinge, mit der Ausbeute von fast 400 Medaillen (382), darunter 164 Goldenen. Für Deutschland (einschließlich der DDR und Westdeutschland) reichte es bislang zu 111 WM-Medaillen, darunter 13 Goldenen. Der erste Judo-Weltmeister aus deutscher Sicht ist der Suhler Detlef Ultsch, der 1979 in Paris WM-Gold im Mittelgewicht holte – einen Triumph, den er 1983 in Moskau wiederholte – dort, wo auch der gebürtige Schweriner Andreas Preschel im Halbschwergewicht siegte. Bei Olympia 1980 in Moskau erkämpfte Detlef Ultsch Bronze. Das erste deutsche Frauen-WM-Gold überhaupt sicherte sich dann Barbara Claßen vom JC Grenzach-Wyhlen ein Jahr nach dem Sieg von Detlef Ultsch bei den Welttitelkämpfen 1982 ebenfalls in Paris – in der Gewichtsklasse bis 72 Kilogramm. Und nun, 2021, schaffte Anna-Maria Wagner das 13.WM-Gold in der deutschen Judo-Sportgeschichte.

Blick auf die EM seit 2017: Frankreich und Russland sehr erfolgreich

Bei Europameisterschaften gehörten deutsche Judoko ebenfalls stets zu den Leistungsträgerinnen und -trägern. Davon zeugen fast 500 Medaillen (479), darunter 93 x Gold. Bei den EM zwischen 2017 und 2021 in Warschau (2017), Tel Aviv (2018, Mixed-Team in Jekaterinburg), Minsk (2019), Prag (2020) und Lissabon schafften die deutschen Judo-Athletinnen und Athleten bei ihren Teilnahmen an den Einzel-EM dreizehn Medaillen. Bei der Mixed-Team-EM 2018 konnten die deutsche Mannschaft sogar gewinnen. Ansonsten bestimmten bei den europäischen Titelkämpfen der letzten fünf Jahre Frankreich (14 Titel) und Russland (13 Titel) das sportliche Judo-Geschehen auf „dem alten Kontinent“.

Fokus auf das Judo-Geschehen auf anderen Kontinenten

Auch bei den kontinentalen Judo-Großereignissen der anderen Kontinente / Regionen verliefen die Judo-Wettbewerbe zwischen 2016 und 2021 spannend. Bei den Asienspielem 2018 in Jakarta und in Palembang setzten Japan (neunmal Gold) und Südkorea (viermal Gold) die Akzente.

In Lima, bei den Panamerican Games 2019, wurden Kuba (zwölf Medaillen, fünfmal Gold), Brasilien (neun Medaillen, viermal Gold) und die Dominikanische Republik (fünf Medaillen, dreimal Gold) die besten Judo-Teams.

Ägypten avancierte hingegen bei den Afrikaspielen 2019 in Rabat mit viermal Gold zur Top-Nation des afrikanischen Kontinents im Judo.

Weitere wichtige Judo-Wettkämpfe der letzten fünf Jahre

Nicht zuletzt bei den Olympischen Jugendspielen 2018 in Buenos Aires und bei den Universiaden, den Weltspielen im Studentensport, 2017 in Taipei und 2019 in Neapel wurden im Judo Medaillen vergeben. In Buenos Aires teilten sich acht Goldmedaillen Weissrussland, Aserbaidschan, Rumänien, Kasachstan, Venezuela, Russland, Ungarn und Deutschland, wobei Raffaela Igl vom TSV Abensburg in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm die Beste wurde.

Bei den beiden vorerst letzten Universiaden wurde stets Japan die Nummer eins, so 2017 (zehnmal Gold) und 2019 (siebenmal Gold).

– Eines dürfte also wenige Wochen vor den olympischen Judo-Wettkämpfen 2021 nicht nur nach den internationalen Ergebnissen im Judo der letzten fünf Jahre klar sein: Wer Gold gewinnen möchte, muss gegen die japanischen Judoka erfolgreich bestehen können… Alle Wege zum Gold führen „über Nippon“!

Und die deutschen Judoka…

Der Deutsche Judo-Bund nominierte für Tokyo 2021 sechs Frauen und sieben Männer, so Katharina Menz (48 Kilogramm), Theresa Stoll (57 Kilogramm), Martyna Trajdos (63 Kilogramm), Giovanna Scoccimarro (70 Kilogramm), Anna-Maria Wagner (78 Kilogramm) bzw. Jasmin Grabowski (über 78 Kilogramm), Moritz Plafky (60 Kilogramm), Sebastian Seidl (66 Kilogramm), Igor Wandtke (73 Kilogramm), Dominic Ressel (81 Kilogramm), Eduard Trippel (90 Kilogramm) Karl-Richard Frey (100 Kilogramm) und Johannes Frey (über 100 Kilogramm).

Mindestens eine Medaille sollte „Pflicht“ sein, denn bei den bisherigen olympischen Judowettkämpfen seit 1964 gab es für deutsche Judoka mindestens stets eine Medaille und mehr. Bei den letzten vier Olympischen Spielen waren deutsche Judoka zumeist bestens dabei, 2004 in Athen lautete die Bilanz einmal Gold, dreimal Bronze, 2008 in Peking einmal Gold, 2012 in London zweimal Silber, zweimal Bronze und in Rio 2016 gab es leider nur einmal Bronze. Laura Vargas Koch hielt vor fünf Jahren im Mittelgewicht der Frauen die schwarz-rot-goldene Judo-Fahne hoch. Nachdem jedoch Anna-Maria Wagner kurz vor Tokyo WM-Gold holte, sind die Erwartungen für das kommende Judo-Turnier aus deutscher Sicht schon wesentlich höher. Bei allen Medaillenhoffnungen gilt jedoch: Hauptsache gut kämpfen, das Beste geben, unabhängig vom Medaillengewinn, und gesund bleiben!

 

Marko Michels